3.6. Die Siedlungsgenossenschaft

Die Siedlung ist einerseits Urform überfamiliärer Gemeinschaften und andererseits als Siedlungsgenossenschaft eine neuzeitliche Konstruktion, mit der ihre »Erfinder« altbekannte Sozialmechanismen und neuzeitliche Wirtschaftsprobleme in der Summe positiv zusammenführen wollen[600]. Der Sozialmechanismus der Siedlung [S. 312] baut stärker auf die Zusammenführung von Arbeits-und Lebensbezügen als bei anderen Genossenschaftsarten, die zumeist der Lösung von Teilproblemen des Lebens dienen, also unter Wahrung des Kulturmusters »Familie« die Hauswirtschaften ergänzen.

Es ist bekannt, daß z. B. Menschen in ländlichen Gemeinden relativ natürlich dazu neigen, ein überfamiliäres Kulturleben des Dorfes zu entwickeln. Dorfgemeinschaften wachsen aufgrund der räumlichen Umgrenzung eines überschaubaren Wir-Gebietes und der erhöhten Anzahl dauerhaft angelegter Kooperationskontakte, ohne daß dies mit willentlich geäußerten, genossenschaftlichen Absichten einhergehen würde. Ähnlich ist erwartbar, daß sich ein soziales Kulturleben der Siedlung unter bestimmten Randbedingungen natürlich einstellt: Es werden Verbindlichkeiten geweckt (im Gegensatz zu der Unverbindlichkeit des anonymen Großstadtlebens).

Daß eine umfassende Einbindung der Einzelperson von vielen Menschen als Einengung empfunden wird, muß man hier nicht betonen. Wenn nachfolgend die »Wunder« der Siedlungsgenossenschaft behandelt werden, dann verstehe ich dies auch nicht im Sinne einer von konkreten sozialen Gegebenheiten unabhängigen Empfehlung, sondern lediglich als Darstellung möglicher Vorteile, die Personen eines organisierten Sozialverbandes für sich aktivieren können. Die Frage der konkreten Verbandsbildung verweist dagegen auf die Vielfalt der Motive und Biographien. Mal finden sich Freunde zusammen, mal Menschen gleicher Religion oder politischer Überzeugung; mal werden sie durch äußere Bedrohung zusammengeschweißt, mal durch freien Entschluß, Sympathie oder Einsicht. Die Siedlungsgenossenschaft ist daher in Abgrenzung zur Dorfgemeinschaft keine zufällig oder traditionalistisch zustandegekommene Ansammlung von Menschen, die ohne Alternative ihren Alltag organisieren, sondern in ihr gibt es über den wachsenden Sozialmechanismus hinaus konkrete Ziele und (sub-)kulturelle Werte, deren Pflege bzw. Verwirklichung man sich in geeinter Überzeugung zuwendet. Das heißt auf den Punkt »Distanz und Nähe« bezogen: Die einzige Fluchtmöglichkeit vor einer zu beengten Dorfgemeinschaft oder Familienbindung ist nicht die Anonymität und Vereinzelung; möglich ist ebenso eine willentliche Anders-Konstruktion. Diese müßte als Kulturmodell überwinden, was den Menschen vor den Traditionen oder bekannten Ordnungen flüchten läßt und wäre eine bewußte Umsetzung alternativer Werte. Die Siedlungsgenossenschaft ist eine freiwillige Vereinigung von Menschen mit bestimmten Gestaltungsbedürfnissen ihres Lebensraumes. Dabei geht es um mehr als lediglich die Gestaltung einzelner Teilfunktionen, wie z. B. Arbeit, Produktion (Tauschwerteerstellung), Reproduktion (Hausarbeit) und Konsum. Die Siedlungen ROBERT OWENs und Nachfolger integrieren die Teilfunktionen vielmehr und sind von daher Wohnungsbau-, Produktiv-und Konsumgenossenschaften mit Kulturbetrieb in einem.

Die Siedlungsgenossenschaft ist ferner zu unterscheiden von dem russischen Kolchos, in dem die Einzelhaushaltungen ohne Privateigentum aufgehen. Sie ist statt dessen eine Assoziation vollberechtigter Einzelhaushalte, die als Gruppe ihre [S. 313] Außen- und Marktkontakte gemeinschaftlich organisieren und je nach Wahl gemeinsame Geschäftsbetriebe zur Tauschwerteproduktion oder Erleichterung der Hauswirtschaft unterhalten. Durch das tägliche Miteinander und die gemeinsam verfolgten Ziele höherer Ordnung wächst der Verband mit der Zeit nach innen zusammen. Ihre besondere Friedfertigkeit und innere Ausgeglichenheit erlangt die Siedlungsgenossenschaft durch die begünstigende Rahmenbedingung der Lebensform und vor allem auch, weil sie den Mitgliedern eine wirtschaftlich höherstehende Existenz ermöglicht, die beruhend auf Selbsthilfe und Selbständigkeit automatisch auch zu Selbstachtung und Fremdachtung führt.

Damit laufen bei der Siedlungsgenossenschaft zwei Themenbereiche zusammen. Es ist dies einmal die wirtschaftliche Dimension im engeren Sinne des traditionellen Genossenschaftsgedankens und zum zweiten die sozialpsychologische Dimension des zur Gruppe oder Gemeinschaft verbundenen Menschen. Welchen (sub-) kulturellen Werten der Einzelne zuneigt, die er in der ausgewählten Gruppe verwirklichen möchte, das ist, wie gesagt, variabel. Konstant dagegen ist der Effekt wechselseitiger Orientierung und damit die Herausbildung sozialer Normen im Spiegel des anderen. Wie ausgefallen eine Subkultur nach außen auch immer scheinen mag, wenn sie ihre inneren Regeln nach dem Prinzip der wechselseitigen Gültigkeit gleichberechtigter Personen (also genossenschaftlich) herausbildet, sind diese Regeln stets auch »sozial« bzw. realisieren den kategorischen Imperativ KANTs (? 76).

Für die Sozialarbeit in einer an Orientierungen verlierenden Welt läßt sich sagen, daß die Siedlungsgenossenschaft ähnlich der Familie als Basisinstitution nach innen gültige Werte schafft und dem größten Raufbold eine freiwillige Außenorientierung nahelegt. Indem der Einzelne eine Gruppe als »seine« anerkennt und als Teil derselben Werte formuliert, an deren Gültigkeit andere Gruppenmitglieder appellieren können, findet in der Gruppe ein Sozialisationsprozeß statt. Er ist nicht »Erziehung« in dem Sinne, daß nach Herrschaft strebende Kräfte Unterordnung und Selbstverleugnung fordern, sondern er ist »Sozialisation« in dem Sinne, daß der Mensch neben seinem Einzelkämpferdasein eine lebbare zweite Realität der Gruppe entdeckt. Diese ist ihm nicht nur nützlich, weil in arbeitsteiliger Kooperation der Talente andere Projekte möglich sind als durch eigene Kraft allein; in der Gruppe erfährt das Individuum gleichzeitig eine Spiegelung seiner Persönlichkeit und somit Anreiz zur Selbsterkenntnis und Selbstaktualisierung der Persönlichkeit nach eigenen Werten. Das Streben nach Hochgeltung fängt »den Raufbold« ein, wenn es nur eine soziale Gemeinschaft gibt, von der er ein Teil geworden ist.

Diese soziale Dimension der Siedlungsgenossenschaft wird von den handelnden Personen in aller Regeln nicht bewußt angestrebt. Viele Menschen würden sich wahrscheinlich weigern, einer Gemeinschaft beizutreten, wenn sie vorher wüßten, daß die Gemeinschaft ihren Lebensstil und die Persönlichkeit verändert. Wenn Menschen einer Gruppe beitreten, dann scheint es ihnen so, als würden sie etwas ihnen Außenstehendes »auswählen«. Doch wechselt ein Mensch mit dem gewählten Bezugsrahmen stets auch den Spiegel seiner selbst, nicht unbedingt das [S. 314] gefestigte »Ich«, aber was davon zur Geltung kommt. Und damit wählt er nicht aus, was ihn wie tote Materie kaum berührt, sondern verändert mit der Wahl sein Leben bzw. den Verlauf seiner Biographie im engeren Sinne.

OPPENHEIMER schreibt:

„Wir beginnen mit einigen Beispielen, die deutlich zeigen, wie sehr die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage die Sittlichkeit der Gruppenglieder bestimmt.
Ein Vorkämpfer der englischen Antialkoholbewegung hat öffentlich zugestanden, daß die Eingliederung der Männer in die (Konsum-)Genossenschaft mehr für die Zurückdrängung des Trinkteufels leistet als alle ihre Vorträge und Schriften[601]. Es war eine europäische Sensation, als ROBERT OWEN aus seinen verkommenen, trunksüchtigen Arbeitern in New-Lanark durch Verkürzung der Arbeitszeit, Erhöhung der Löhne und Einführung aller möglichen Wohlfahrtseinrichtungen »self respecting citizen« machte. Was hier überall gewirkt hat, war die Besserung der wirtschaftlichen Lage, verbunden mit der Hoffnung auf eine noch bessere Zukunft und der gegenseitigen Aufsicht der Beteiligten.
Diese Einflüsse wirken nirgends so stark wie in der genossenschaftlichen Siedlung, und so ist hier denn auch der versittlichende Einfluß weitaus der stärkste, das erzielte Ergebnis in sittlicher (und, nebenbei in hygienischer) Beziehung oft geradezu fabelhaft:
In den sämtlichen genossenschaftlichen Kolonien der Vereinigten Staaten waren Verbrechen und Vergehen ebenso unbekannt wie Idiotismus, Epilepsie, Geisteskrankheiten u. dgl.[602] In Riverside gab es nur ein einziges Trinklokal, aber »es galt als unschicklich, es zu besuchen«. In den klosterähnlichen Siedlungen der nordamerikanischen Shakers, einer Sekte der Quäker, fingen die dort aus Gnade und Barmherzigkeit für die Winterzeit aufgenommenen Vagabunden, verkommene »tramps«, spontan an zu arbeiten, ohne daß auf sie auch nur der geringste moralische Druck ausgeübt worden wäre[603].“[604]

„Dasselbe gilt von den europäischen Siedlungen auf genossenschaftlicher Basis. In der Gartenstadt Letchworth bei London war die Kindersterblichkeit tief unter dem englischen Durchschnitt, obgleich die meisten Einwohner Londoner Arbeiter waren, die mit ihren Familien samt den Fabriken dorthin verpflanzt worden waren. Und die erste deutsche Siedlungsgenossenschaft, die von dem Verfasser im Verein mit dem verstorbenen Landgerichtsrat KRECKE, einem der edelsten Vorkämpfer der Sozialreform, der je gelebt hat, und SPONHEIMER, 1895 gegründete Obstbausiedlung Eden bei Berlin-Oranienburg, ist nicht nur wirtschaftlich glänzend geglückt, trotz mannigfachster Schwierigkeiten des Anfangs, sondern ebenfalls in sittlicher und gesundheitlicher Beziehung. Krankheiten sind sehr selten; die Säuglingssterblichkeit hält den Weltrekord der Günstigkeit [S. 315] mit 3,8 % im zwanzigjährigen Durchschnitt gegen mehr als 20 bis 18 % im Durchschnitt Deutschlands während der gleichen Zeit. Und kein Edener ist jemals in einen Strafprozeß verwickelt gewesen[605]. Der Oranienburger Gendarm hat gesagt: »Ich komme nur nach Eden, wenn ich Äpfel kaufen will!«
Wieder dasselbe wird aus zuverlässiger Quelle von der einzigen bisher errichteten ganz reinen agrarischen Siedlungsgenossenschaft, Rahaline in Irland, Grafschaft Cork, berichtet. (Eden war auf zu kleinem Gelände angelegt und von vornherein auf zu intensive Kultur eingestellt, als daß es die von der echten landwirtschaftlichen Siedlung erhoffte sozialpolitische »Fernwirkung« hätte ausüben können, wie der Verfasser seinerzeit voraussagte.[606]
Rahaline war die Gründung eines Schülers von ROBERT OWEN, des Anglo-Iren VANDELEUR. Er schloß sich in der bösesten Zeit der irischen Geschichte mit seinen Pächtern zu einer landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaft zusammen[607].
Die Leute waren eher schlimmer denn besser als der Durchschnitt der Iren jener schweren und furchtbar erregten Zeit, in der der Hungertyphus mit der Cholera um die Wette wütete, und der große Iren-Apostel O'CONNELL die politischen Leidenschaften zur Weißglut schürte. Sie hatten im Jahre zuvor den Inspektor HASTINGS meuchlings erschossen; der Mörder blieb unentdeckt. Diese verelendeten und sittlich verirrten Menschen wurden wie unter der Berührung eines Zauberstabes vollkommene Bürger, als sich ihnen die Möglichkeit des Aufstieges und der Selbständigkeit erschloß. Sie arbeiteten viel fleißiger und sorgfältiger, ohne jede Aufsicht, lebten mit ihren Frauen »wie Brautleute« -auch das eine Folge der »Lagerung«, denn die Frauen waren als gleichberechtigte Genossen unabhängig und hätten sich bei schlechter Behandlung ohne weiteres von dem Manne trennen können -, erzogen ihre Kinder sorgfältig, ließen sie neben der Schule noch ein Handwerk lernen, enthielten sich des Trunks ...“[608]

Es ist heute bekannt, daß zahlreiche Krankheiten umweltbedingt auftreten oder ausbrechen. Viele »geistige Störungen« oder psychosomatisch bedingte Schmerz-oder Lähmungserkrankungen, Nervenleiden und mentale Zustände werden selbst bei biologischer Veranlagung (Sensibilität, hormonelle Störung etc.) erst kritisch, wenn der Patient einem zusätzlichen Druck von außen unterliegt, der ihm die Kraft für einen selbstbesonnenen Umgang mit seinen Eigenheiten raubt. Andere »Krankheiten« sind gar ursächlich in den verletzten Kinderseelen zu suchen und haben überhaupt nichts mit der Biologie gemein, sondern sind reine Erscheinungen der Gesellschaft, selbst wenn der Mensch auf sie mit körperlichen Veränderungen reagiert.

Sehr deutlich werden die Zusammenhänge etwa beim sexuellen Mißbrauch von Kindern. Diese Erscheinung ist nicht neu, sondern tritt lediglich in unserer Zeit zunehmend an das Licht der Öffentlichkeit. „Im Rudolf Virchow-Krankenhaus wurden 1921 133, 1924 250 geschlechtskranke Kinder behandelt (...) Auf der [S. 316] Keuchhustenabteilung des Eppendorfer Krankenhauses wurde bei 20 von insgesamt 28 Mädchen Gonorrhöe festgestellt. Von den im April 1925 auf der Gonorrhöestation der Kinderheilanstalt in Buch befindlichen 56 Kindern mit Gonorrhöe waren 21 innerhalb der Familie angesteckt.“[609] Für die Betroffenen bedeutet dies eine schwere Störung in der eigenen seelischen Entwicklung, oftmals lebenslange Angstzustände, Suchttendenz, zuweilen Kontaktstörung, Depression, geminderte oder zerstörte sexuelle Genußfähigkeit, Mißtrauen gegenüber anderen Menschen, Aggression und (Selbst-)Zerstörungstendenz etc. Der Übergriff des Erwachsenen auf das Kind ist eines der schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und dennoch kann niemand heute sicher sein, daß nicht die eigenen Kinder irgendwo oder des Nachbars Kinder im Moment Opfer werden.

Einer der Gründe ist meines Erachtens, daß die Herrschaft, Macht-und Gewaltanwendung seit Generationen allgegenwärtiger Bestandteil unseres Lebens ist. Frühere Systeme haben ihre Soldaten abgerichtet, die ohne Wahl-und Fluchtmöglichkeit in den Kampf gegen andere Menschen getrieben wurden. Und auch der Arbeiter war dem Kapitalisten früher nur in seiner Funktion als Untertan ein Begriff, niemals hingegen in seiner Menschenwürde. Welche moralischen Tugenden und innere Ausgeglichenheit erwartet man aber von einem Menschen, der hier geprügelt wird und dort plötzlich selber mächtig ist?

Der Mensch wird nicht mit höheren Einsichten und Weisheiten geboren, sondern erwirbt sie sich vielleicht. Wo er nicht eigenständig oder durch Gruppenselbsthilfe erkennt, was die Umwelt mit ihm macht, da verhält er sich entsprechend den Verhältnissen, in denen er lebt. Das Alltägliche bedarf des Reflektionsraumes, damit es sich nicht ungehemmt reproduziert. Was an Arbeits-oder Außenleben unsere Wirklichkeit beschreibt, das prägt ansonsten die Familien[610], das Verhältnis der Ehegatten und zeichnet die Kinder. Wenn heute 10jährige Kinder töten, dann ist die Gesellschaft krank, und zwar nicht nur, weil die Medien laufend gewalttätige (Vor-)Bilder liefern, sondern weil die alltägliche Gewalt das dominierende Muster viel zu vieler Realbeziehungen darstellt.

Will man daran etwas ändern oder für seine Familie ein Stückchen Sicherheit realisieren, dann genügt es nicht, sich oder andere zu bestimmten Verhaltensweisen zu ermahnen. OPPENHEIMERs Beispiel der Siedlung illustriert plastisch, daß der Lebensraum als solcher umgestaltet werden kann und der Mensch sich dieser Umgestaltung nachfolgend in seinem alltäglichen Verhalten ändert. Arbeitsgestaltung, Wohnraumgestaltung und Freizeitgestaltung sollten Teil des bewußt organisierten Lebensraumes sein, nicht kollektivistisch, aber doch gemeinschaftlich bewältigt.

Es gibt zwei Sinnsprüche, über die sich die Anforderung an die Siedlungsgenossenschaft umreißen läßt. Der eine lautet »teile und herrsche«; er stammt von den römischen Eroberern, die nach diesem Sinnspruch ihre unterworfenen Gebiete verwaltet haben. Der andere lautet »gemeinsam sind wir stark« und entstammt der [S. 317] Arbeiter-und Genossenschaftsbewegung. So wie es dem Interesse der Herrschaft entspricht, überall die Genossenschaft zu (zer-)stören, so ist es die Kraft der Genossenschaft, dem zu widerstehen. »Kranke« und »Gesunde«, »Schwache« und »Starke« können sich in einem Verbund zur gegenseitigen Hilfe wunderbar ergänzen. Denn der Erkrankte ist oft schon zu schwach, um sich helfen zu können; er zeigt aber wie ein Vergrößerungsglas die Verhältnisse an, die den noch nicht Erkrankten und noch Handlungsfähigen anfechten. So sollten sich nicht nur der Unternehmungsgeist und die Spontanität der Jugend mit der Erfahrung und Gelassenheit des Alters verbünden, sondern alle Augen und Ohren, die jeweils unterschiedliche Ausschnitte des Ganzen wahrnehmen. In der Verbindung liegt eine besondere Kraft, die mehr ist als nur Summe ihrer Teile: eine andere Qualität. Mit großer Wahrscheinlichkeit genießen Kinder einer Genossenschaftssiedlung größeren Schutz und können die Erwachsenen einer Siedlungsgenossenschaft ihre Würde leichter wahren, als dies Menschen eines geringeren Organisationsgrades möglich ist. Außerhalb der Siedlung sind die Familien den gesellschaftlichen Verhältnissen unmittelbar ausgesetzt, während die Siedlung wie eine Trutzburg zwischen Familie und Gesellschaft liegt und als solche weitgehend resistent gegen äußere Angriffe ist, weil einmal wirtschaftlich stabilisierende Faktoren wirken und zum zweiten sozialpsychologisch stabilisierende Faktoren. Vertiefen wir nun die wirtschaftliche Dimension.

3.6.1. Die landwirtschaftliche Produktivgenossenschaft

Die landwirtschaftliche Produktivgenossenschaft ist in erster Linie ein Instrument der »Bauernpolitik« und bezeichnet eine Produktionsform, keine Lebensform. Über ihren Inhalt wurde von OPPENHEIMER und anderen nachgedacht, weil ihnen die Wirtschaftsweise des Einzelbauern ungünstig erschien. Die landwirtschaftliche Produktivgenossenschaft ermöglicht Formen der Arbeitsteilung, die Nutzung eines gemeinsamen Maschinenparkes, die Zusammenlegung von Flächen zu größeren Einheiten sowie die Aufnahme und Ausbildung unqualifizierter, oftmals arbeitsloser Landarbeiter.

„Aus diesem Grunde wird die Bauernpolitik sich im wesentlichen auf die Schaffung genossenschaftlicher Ansiedlungen einzustellen haben. Hier sind zwei Formen möglich: die Produzentengenossenschaft von in ihren Betrieben selbständigen Erbsiedlern, die ihren Grund und Boden nicht verschulden können, weil er in irgendeiner Rechtsform und unter dem Obereigentum der Genossenschaft bleibt. Und zweitens die Produktivgenossenschaft: der Großbetrieb, dessen sämtliche Arbeiter Genossen, und dessen sämtliche Genossen Arbeiter sind.“[611]

Man stelle sie sich etwa vor mit einem zentralen Wirtschaftsgebäude der Genossenschaft, in loser Folge umringt von Wohngebäuden und kleinen Gärten der Haushalte sowie den zusammengelegten Wirtschaftsflächen im weiteren Umfeld. In einer so oder ähnlich angelegten Siedlung hätte jedes landwirtschaftlich arbeitende [S. 318] Mitglied einen kurzen Fußweg zu seinem Arbeitsplatz. Fraglos wird es den landwirtschaftlichen Betrieben möglich sein, die Grundversorgung ihrer Mitglieder mit Lebensmitteln aus eigener Kraft zu bewältigen und darüber hinaus einen Überschuß zu erwirtschaften. Logisch nächster Schritt der Gedankenkette ist die Veredelung der Erzeugnisse und deren Verkauf. Arbeitsplätze in einer Molkerei, Käserei, Metzgerei, Bäckerei und Gastwirtschaft liegen nahe, vielleicht gar mit einigen Betten für Fremdenverkehr.

Der landwirtschaftliche Produktionszyklus ist unregelmäßig, enthält Wartezeiten und Zeiten, in denen alle Hände benötigt werden. Gleichzeitig benötigt man Gebäude und technische Anlagen, deren Aufbau man gegenzyklisch organisieren kann. Wo eine landwirtschaftliche Siedlungsgenossenschaft funktioniert, werden automatisch auch Handwerker zuziehen. Maurer, Schreiner, Elektriker, Mechaniker etc., deren Grundentlohnung mit Wohnen und Essen in Eigenproduktion durch die Siedlung weitgehend gedeckt ist.

Eine Siedlung auf landwirtschaftlicher Basis arbeitet mit zwei Wirtschaftskreisläufen. Es ist einmal der innere Kreislauf der Selbstversorgung und zum anderen der äußere Kreislauf der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Tauschwerteproduktion. Sagen wir einmal, der Mensch verbraucht 50% seines Lohns zur Abdeckung der Grundbedürfnisse Essen und Wohnen. Kleidung, Urlaub, Fahrzeuge, medizinische Versorgung etc. müßten somit erworben werden. Außerdem müßten Leistungen an die Gesellschaft für entsprechende Gegenleistungen des Schulwesens etc. erbracht werden (Steuern, Sozialversicherung). Nahe läge, zu diesem Zweck eine Konservenfabrik einzurichten, aber möglich wäre auch jedes andere Gewerbe in der Dimension einer mittelständischen Unternehmung. Das Besondere an einer Kombination industrieller und landwirtschaftlicher Produktion im Siedlungsverbund liegt in der erhöhten Unabhängigkeit von konjunkturellen Schwankungen. Kaum ist je der Fall vorstellbar, daß ein allgemeiner konjunktureller Einbruch existenzgefährdend wirkt, da die Grundbedürfnisse stets in Eigenleistung abgesichert sind. Und umgekehrt läßt sich auf jedes konjunkturelle Hoch mit einer verstärkten Produktion jener Güter reagieren, die den günstigsten Preis erzielen. Langfristig kann man sich aber durch die Vielzahl verschiedener Aufgaben antizyklisch verhalten, seine Wirtschaftsgebäude renovieren, wenn Flaute ist, und Tauschwerte produzieren, wenn die Wirtschaft boomt.

Mehr noch: Es bietet sich geradezu die Errichtung eines Wirtschaftsverbundes der Siedlungsgenossenschaften an, in dem die Gewerbebetriebe zueinander stehen wie die verschiedenen Abteilungen eines Großunternehmens. Was wir unter dem Stichwort »Barter« oben andiskutiert haben (? 266), wäre der nächste Schritt einer Vernetzung zur Produktion technisch hochwertiger Güter. Alles erinnert an die Realität von Mondragón in Spanien[612], wo man uns exemplarisch die flexible Kombination [S. 319] aller genossenschaftlichen Elemente von der Siedlung aufwärts bis zum industriellen Verbund vorführt. Hier auch endlich wird das bereits mehrfach von KING angebrachte Zitat greifbar:

„Die Grundlage, das Geheimnis um das Genossenschaftswesen ist die Arbeit. Man nehme von dem Produkt der Arbeit weg, was für den Lebensunterhalt der Arbeiter notwendig ist; was dann übrig bleibt, ist Überschuß, der gespart wird und der, wenn angesammelt, zu Kapital wird, mit dessen Hilfe die Arbeiter sich selber beschäftigen und für sich selbst Nahrung und andere Artikel erzeugen könnten, gerade so, wie sie es gegenwärtig mit dem Kapital der Unternehmer machen.“[613]

Es bedarf dazu nicht viel mehr als des Grund und Bodens, auf dem die Gründung einer Siedlung gestattet ist, sowie der handwerklich-kaufmännischen Talente ihrer Erbauer samt einer gewissen Ersparnis zur Anschaffung von Saatgut, Maschinen und Überlebensmitteln der ersten Periode. Sind diese gegeben, dann kann die Siedlung wachsen, wie OPPENHEIMER eindrücklich unter Beweis gestellt hat.

„Ein solcher Versuch, die zunächst als »Anteilswirtschaft« aufgezogene gemeinnützige Siedlung Bärenklau bei Berlin, tritt in dem Augenblick, wo wir dieses schreiben, in ihr sechstes Lebensjahr ein und verspricht weiteres gutes Gedeihen: immerhin ein beträchtlicher Erfolg angesichts des Umstandes, daß uns die großen agrarischen Autoritäten fast einhellig den Zusammenbruch binnen sechs Wochen oder längstens binnen sechs Monaten vorausgesagt hatten. Es hat sich bereits jetzt, trotz aller Schwierigkeiten dieser Nachkriegszeit, herausgestellt, daß die Arbeiterschaft mindestens so gut arbeitet und mindestens so gut Disziplin hält, wie auf Privatgütern: und es sind nicht etwa ausgesuchte Leute, sondern es sind mit dem Gut übernommene Familien!“[614]

Bärenklau und Eden waren OPPENHEIMERs Proben aufs Exempel, in denen er seine Anschauung bestätigt fand. Die Siedlungsbewegung Israels unterstreicht OP-PENHEIMERs Erfahrungen mit Nachdruck von einer anderen Seite. Die nach Israel einwandernden Juden aus aller Welt, teils mit und teils ohne berufliche Ausbildung, in einem klimatisch und politisch schwierigen Umfeld, haben mit Hilfe der Siedlung, aber vermutlich auch nur in der Form der Siedlung, bestehen können gegen alle Widrigkeiten. Manch einen Aspekt der konkreten Besiedelungspolitik hat OPPENHEIMER nicht gutgeheißen[615], aber das Wissen um die Stärke der Siedlung hat er, FRANZ OPPENHEIMER, in die Entstehungsgeschichte des Staates Israel eingebracht.

Es war FRANZ OPPENHEIMER, der auf dem VI. Zionisten-Kongreß in Basel am 26. 8. 1903 die schwere Aufgabe anging, „die Expatriierung und Neuansiedelung [S. 320] von Millionen armseliger, elender Menschen in kürzester Zeit“[616] vom Standpunkt der Soziologie und theoretischen Ökonomik aus zu lösen. Als persönlicher Berater THEODOR HERZLs, dem damaligen Führer der deutschen zionistischen Bewegung, hatte er zuvor bereits das Vertrauen eines der wichtigsten Männer der Organisation erlangt[617]. Somit läßt sich klar sagen, daß die genossenschaftstheoretische Position OPPENHEIMERs, deren Umsetzung in Deutschland im Stadium des gelungenen Experimentes steckenblieb, der Gründung des Staates Israels Pate gestanden hat.

„Israel dürfte heute das einzige Land sein, in dem aus freier Initiative errichtete vollgenossenschaftliche Gemeinschaftssiedlungen sich über das Experimentierstadium hinaus behauptet und zu einem gewichtigen Faktor der Volkswirtschaft entwickelt haben. (...) Wenn wir nicht nur den im Merhavia angestellten Versuch, sondern die im ganzen Lande gemachten Erfahrungen zur Beurteilung heranziehen, so zeigt sich, daß die OP-PENHEIMERsche Gesamtkonzeption eine geniale geistige Vorwegnahme der späteren Entwicklung war. Die ländliche Siedlungsgenossenschaften sollten tatsächlich den Kern eines weitverästelten Systems bilden, das sich in alle Zweige der israelischen Volkswirtschaft hinein erstreckte und bisher auch eine schärfere Klassendifferenzierung innerhalb der israelischen Gesellschaft nicht aufkommen ließ.“[618]

Man mag sich darüber streiten, welchen Stellenwert man OPPENHEIMER im Detail der Ausführung zuerkennt. Unstrittig ist zunächst die Hauptmarschrichtung der Konzeption per Siedlung, wobei konkret vier Haupttypen zu unterscheiden sind[619]:

- die Moschawa (Siedlungskolonie),
- der Moschaw (Siedlerdorf, mit genossenschaftlichen Hilfswirtschaften),
- der Moschaw Owdim (Einzelsiedlergenossenschaft; wörtlich: Arbeiterkolonie)
- und der Kibbuz (= Kwuza; vollgenossenschaftliche Gemeinschaftssiedlung; wörtlich: Gruppe).

Die landwirtschaftlichen Siedlungsgenossenschaften (Moschaw Owdim und Kibbuz) erzeugten 1954 etwa 70 %, die Kibbuzim alleine gut 50 % der auf den einheimischen Markt gelangten Agrarproduktion[620]. Zwischen Moschaw Owdim und Kibbuz gibt es einen konzeptionellen Unterschied dahingehend, daß die Arbeiterproduktivgenossenschaft (Moschaw Owdim) stärker auf familiäre Eigenständigkeit bedacht ist, während der Kibbuz „nicht eine Kooperative, sondern eher eine Form kollektiven Lebens, eine Kommune (»Lebensgemeinschaft«)[621]“ darstellt: [S. 321]

„Das Mitglied eines Kibbutz hat kein privates Eigentumsrecht an dem gemeinsamen Besitz; es gibt keine individuellen Aktien oder Anteile. Ferner gibt es weder eine Eintrittsgebühr noch irgendeine Eigentumsverteilung bei Austritt.“[622]

Daß die Siedlungsform des Kibbuz entgegen der OPPENHEIMERschen Konzeption, der die Arbeiterproduktivgenossenschaft (Moschaw Owdim) favorisiert hat, konkret in stärkerem Maße aufgetreten ist, wird dem Verdienst OPPENHEIMERs gelegentlich entgegengehalten. Dahinter steht meist stellvertretend die Frage nach der Möglichkeit kommunistischer Lebensformen, die durch das Kibbuz bestätigt wird und deren Möglichkeit OPPENHEIMER grundsätzlich als »der Psychologie des Menschen entgegengerichtet« beurteilt hat. Andererseits hat OPPENHEIMER seine Anschauung nicht doktrinär vertreten, sondern seine Konstruktion mit durchweg liberalem Verständnis »in den Wettbewerb« eingebracht[623], so daß »an das eine glauben« nicht bedeutet, das andere zu behindern.

Grundsätzlich wird man OPPENHEIMER heute vielleicht entgegenhalten dürfen, daß die kommunistische Lebensform in persönlich überschaubarem Rahmen und bei uneingeschränkt demokratischer Organisation der entscheidungsbefugten Organe möglich ist. Der Grund könnte sein, daß die Bedeutung des Privatlebens und des Privateigentums weit weniger Gewicht in der Hierarchie der menschlicher Bedürfnisse einnimmt als die konkrete Gestaltung des Lebensraumes selbst. So in einem Kibbuz alles zum Besten steht, sind manche Menschen möglicherweise geneigt, auf ihre persönlichen Verfügungsrechte zu verzichten und auf demokratischem Wege in das Geschehen einzugreifen. Andererseits ist der Wunsch nach Eigentum und Privatheit besonders im westlichen Kulturkreis stark verankert. Doch kamen die ersten Siedler vor allem aus Rußland, das zuvor eine Welle der Gewalt gegen die Juden erlebt hatte. Die Rußlandauswanderer aber kannten die kommunistische Siedlung, den Kolchos, und erblickten in dem Verwalter der OPPEN-HEIMERschen Genossenschaftssiedlung quasi einen »Kapitalisten«. OPPENHEIMERs Siedlungsexperiment in Merchawjah brachte aus diesem und äußeren Gründen nicht den erwünschten Erfolg, und die Einrichtungen gingen an eine kommunistische Gruppe, eine »Kwuzah«, über[624].

Nur durch Verweis auf dieses markante Ereignis ist die Frage nach der besseren Form der Siedlung noch nicht entschieden. Besonders LUDWIG OPPENHEIMER hat in Israel vor Ort das Modell seines Vaters weiterentwickelt und gepflegt[625]. Der Moschaw Owdim hat so insgesamt doch eine positive Entwicklung genommen, und SCHAYER sieht diesen, was die Zuwachsraten und Vorstellungen der westeuropäischen Siedler angeht, höher in der Gunst der Neueinwanderer stehen[626]. Doch die Zahlen sind alt, und eine Entscheidung zugunsten dieser oder jener Form muß [S. 322] hier auch nicht unbedingt herbeigeführt werden[627]. Mag es ein jeder halten wie es beliebt und mit Gleichgesinnten an sich und seinem Glauben arbeiten. Im Grundsatz ist die Idee der Siedlung solide und verträgt ein gewisses Spektrum unterschiedlichster Anschauungen, da ihr Aufbau und ökonomischer Wirkungsmechanismus den Einsatz von Arbeit ermöglicht, also Werte schafft und nach innen nicht dem arbeitshemmenden Blockademechanismus der kapitalistischen Makroökonomie unterliegt. Entscheidend ist, daß die Siedlung der »Schuldknechtschaft« und »Ausbeutung des Menschen durch den Menschen« im Lohnarbeitsverhältnis entsagt. Nach welchem Modus sie ihre Gerechtigkeit findet, ist dabei m. E. relativ unerheblich.

In Israel hat sich die Siedlung als so wirkungsvoll erwiesen, daß Genossenschaftstheoretiker aus der ganzen Welt darauf aufmerksam wurden und die Frage stellten, in welcher Form die Kräfte der Siedlung in der eigenen Heimat nutzbar wären[628]. In den industriell entwickelten Länder gilt es dabei gänzlich andere Probleme zu bewältigen als in den gering entwickelten Ländern.

Kennzeichnend für die gering entwickelten Länder ist, daß sämtlicher nationaler Boden während einer Phase der Kolonisation und Beherrschung durch eine fremde Macht -typisch für die heute unterentwickelten Länder ist ihre Unterwerfung durch die sogenannten Kolonialmächte England, Frankreich, Spanien etc. -der herrschenden bzw. besitzenden Klasse eigentumsrechtlich zugeschlagen wurde. Der nationale Boden Tunesiens wurde etwa den Mitgliedern des französischen Parlamentes und der Presse zugeschanzt[629]. Alle unterentwickelten Länder haben in dieser [S. 323] Hinsicht eine ähnliche Leidensgeschichte, so daß eines der ersten Vorhaben nach einem Wechsel der politischen Verhältnisse in der Durchführung einer Bodenreform besteht. Was dann besonders benötigt wird, ist eine Form der Bewirtschaftung, die rasch von der oft ungebildeten Klasse der Arbeiter aufgenommen werden kann, denn die Monopolisierung der Produktionsgüter geht meist auch einher mit einer Monopolisierung des Produktionswissens. Eine arbeitsteilige Produktionsform drängt sich in solchen Fällen geradezu auf, weil für eine umfassende Ausbildung selbständiger Landwirte weder Zeit noch Ausbildungskapazitäten verfügbar sind.

Ein anderes Problem trifft unterentwickelte Länder regelmäßig dann, wenn die ehemals erobernde Klasse zur herrschenden Klasse des eigenen Landes geworden ist und die Bodenreform mißlingt[630]. In solchen Fällen hat die arme Landbevölkerung keine Chance, eigene Wirtschaftsbetriebe aufzubauen, weil es kein freies Land mehr gibt, die Herrschenden vor Ort es nicht nötig haben, welches zu verkaufen und die armen Leute obendrein mangels Einkommensquelle nicht kaufen können. Die Folge ist, daß die arme Landbevölkerung in weiter entwickelte Länder auswandert oder in die städtischen Gewerbezentren drängt, wo für gesunde Arbeiter leichter mal eine Chance abfällt als auf dem Land, auf dem alle Verhältnisse ohne Aussicht auf Änderung von den Patriarchen definiert sind. Landflucht und Verstädterung sind die Folge, unter denen Riesenstädte wie Mexiko-City stöhnen. Eine fortgesetzte Unterentwicklung der Agrarproduktion und damit der agrarischen Zahlungskraft für Industriegüter ist die andere Folge, die den Entwicklungsmechanismus der Länder als solchen hemmt. Wie OPPENHEIMER an dem Beispiel Deutschlands diskutiert hat, kehrt die Siedlungsgenossenschaft die Auswirkungen einer mangelnden Bodenreform auf unspektakuläre Weise um und ebnet den Weg für eine gewerbliche Entwicklung von unten auf.

Für die industrialisierten Länder wurde oben bereits angeführt, daß die Beherrschung des Arbeiters mittels einer Ideologie der Atomisierung und Isolation als Lebensstil implementiert wird. »Teile und herrsche« bedeutet im Industriezeitalter, die Untertanen gegeneinander zu hetzen und einen übertrieben individualistischen Lebensstil zu predigen, der alle gesellschaftlichen Werte negiert, außer jenen der Akzeptanz einer hilflosen und abhängigen Untertänigkeit. Die Gewalt als Auswuchs industriell zerstörter Sozialbeziehungen führt so zu den Entäußerungen der Täter, die mit ihrer Zerstörung eines unschuldigen Menschen die an ihnen vollzogene Zerstörung reproduzieren. Eine Verderbnis hervorrufende Kette der Destruktion, die mit herrschaftlichen Mitteln nicht durchbrochen werden kann, weil Herrschaft [S. 324] bereits ihre Ursache ist. Liebe aber, »die tätige Fürsorge für einen anderen«, wie ERICH FROMM sie verstand, bedarf der Hinwendung. In ihrem Banne wird der Mensch Individuum durch Entfaltung seiner Persönlichkeit, durch wechselseitige Fürsorge und Hilfe bei der Bewältigung des nächsten Lebensschrittes. Die Siedlung bietet dem Menschen Schutz und Raum zur Entfaltung, ob auf dem Land oder als Teil einer Stadt. Auch in Städten läßt sich von allen Möglichkeiten der Siedlung zumindest die soziale Funktion nutzen, indem man Stadtteile als sozialen Zusammenhang konzipiert.

Bleibt der Bauernstand in den industrialisierten Ländern. Ideologie ist hier die Lehre vom Glück des Einzelbauern. Tendenz dagegen ist, daß kaum eine Frau heute noch bereit ist, einen Landwirt zu heiraten, da der Familienbetrieb insgesamt, aber gerade auch für die Frauen, eine unbillige Arbeitsbelastung darstellt. Statt für mageren Lohn den Geruch der Stalltiere anzunehmen, zieht die moderne Frau eine gut bezahlte Bürotätigkeit mit geregelter Freizeit vor. Wer will es ihr verdenken? Absehbar ist, daß die Ideologie vom Einzelbauern von anderen Formen der Agrarproduktion überholt werden wird. Hier steht auf der einen Seite die durchtechnisierte Agrarfabrik, die als kapitalistische Unternehmung nachvollzieht, was die Großindustrie gegenüber dem Handwerk vorexerziert hat. Oder aber der Einzelbauer begibt sich in eine Assoziation und realisiert eine Mischung aus Großbetrieb und anteiliger Selbstständigkeit: eben eine Genossenschaft.

3.6.2. Siedlungen und Lebensgemeinschaften

Bevor wir uns dem folgenden IV. Teil der Arbeit zuwenden, möchte ich in einem letzen Anlauf illustrieren, um was es der sozialen Bewegung »Genossenschaftswesen« eigentlich geht. Der in Israel beheimatete OPPENHEIMER-Schüler WALTER PREUSS äußerte sich 1957 über die metaökonomischen Ziele und Aufgaben des Genossenschaftswesens gemäß Protokoll folgendermaßen:

„Prof. PREUSS wies zunächst darauf hin, daß die rein rationalistisch-ökonomische Auffassung, wie sie von Prof. SERAPHIM, aber auch von Prof. ROBOTKA vertreten worden sei und wie sie vor allem in der amerikanischen Literatur vorherrschend sei, eine gefährliche Einschränkung für die Zielsetzungen der Genossenschaftsbewegung der Welt bedeute. Nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch etwa in Schweden habe man ein starkes Empfinden dafür, daß von dem sogenannten Dritten Weg, dem Mittelweg, vielleicht die Rettung der Welt abhänge. Prof. BACK habe in Freidorf vor vier oder fünf Jahren ausgeführt, daß es eine zentrale Aufgabe des Genossenschaftswesens sei, die personelle Freiheit des Menschen zu schützen. Nach Auffassung von Prof. PREUSS sei die Genossenschaftsbewegung vielleicht nicht die einzige, aber doch die stärkste Bewegung, die ein solches Ziel noch erreichen könne. Damit aber würden metaökonomische Aufgaben und Ziele das zentrale Problem der Genossenschaftsbewegung sein. Unter keinen Umständen könne man sich auf den Standpunkt stellen, daß die rein ökonomische, rationale Auffassung die entscheidende sei. Die Genossenschaftsbewegung [S. 325] habe eine große soziale, nationale, weltbewegende Aufgabe und sei deshalb nicht allein unter ökonomischen Gesichtspunkten zu erfassen.“[631]

Wir benötigen die ökonomische Theorie, um die Ursachen und die Struktur problemverursachender Verhältnisse erkennen und uns gegenüber den Verhältnissen wirkungsvoll verhalten zu können. Aber welche Zukunft ein Mensch etwa seinen Kindern wünscht, das ist nicht Bestandteil der ökonomischen Theorie, sondern eines humanistischen Vorverständnisses, das nach Begriffen von gut und schlecht zu trennen vermag. Die meisten Menschen haben in ihrem Leben Freude und Leid erfahren und erleben die Zustände von Freude und Leid anderer Menschen mit. Wenn jemand nicht völlig abgestumpft und dem Zynismus verfallen ist, wünscht er sich und seinen Mitmenschen ein glückliches Leben herbei und weiß auch ganz gut zu unterscheiden, welche Umstände dieses Glück befördern und welche nicht. Das ist ein anderer Standpunkt als der des Theoretikers, der immer wieder unbemerkt dem Fehler verfällt, bestimmte Verhältnisse nachträglich zu rationalisieren und die gefundenen Interpretationen gewordener Verhältnisse als »eherne Gesetzmäßigkeit« aufzuwerten. Diese Sucht des Denkers, einen Satz von ewiger Gültigkeit zu finden oder auf Sätze von ewiger Gültigkeit zu bauen, ist eine der größten Behinderungen kritischen Geistes in der Gesellschaftstheorie. Denn der Mensch ist ein unwissender Produzent seiner eigenen Wirklichkeit. Nur wenige Triebe, wie etwa der, selber nicht zu arbeiten und statt dessen andere für sich einzuspannen, sind in ihrer unkultivierten Form konstant gegeben. Eroberungskriege, Gesetze und Ökonomie sind daraus erwachsene Erfindungen, die es in dieser Form nicht gäbe, wenn ein anders motivierter Mensch zur Tat schreiten würde. Da es den alternativ gedachten Menschen aber nur in der Fantasie gibt, während der Mensch real Produkt seiner Verhältnisse ist, drehen wir uns in einem Zirkel ohne Anfang und Ende. Der rohe Trieb könnte durch ein einsichtiges Gewissen kultiviert werden, und die Achtung vor dem Nebenmenschen könnte eine andere Wirklichkeit entstehen lassen. Nur ist diese Möglichkeit eine weit entfernte, denn die Realität generiert sich nach dem Muster »Mensch schafft Verhältnisse und Verhältnisse schaffen Menschen«.

Dieser Kreislauf kann nur an wenigen Stellen aufgebrochen werden, über die Entwicklung dann doch stattfindet. Wir sehen einmal die Bewegung in historischen Dimensionen über die Jahrhunderte hinweg. Diese Dimension liegt außerhalb der Planungsmöglichkeiten des einzelnen Menschenlebens, und ich möchte sie einmal unberücksichtigt lassen. Übrig bleibt noch die Theorie, die uns nicht erklärt, daß etwas »so ist«, sondern die Bedingungen der Entstehung und Alternativen aufzeigt. Und schließlich sind es die unmittelbar einwirkenden Lebensverhältnisse selbst, die sich mit Klugheit und Energie gestalten lassen. Wir können uns den Wirkungen bestimmter Verhältnisse kaum entziehen, fühlen uns etwa gleichbleibend in bestimmten Räumen unwohl. Aber wir können die Verhältnisse mit ihrer [S. 326] Wirkung auf unser Wohlbefinden und Verhalten verstehen lernen und in günstigen Fällen gestalten.

Die Gestaltung des unmittelbar einwirkenden Umfeldes liegt natürlich unterhalb der Ebene einer Gesellschaftsgestaltung. Man kann durch eine Siedlung nur wenig an der Realität kapitalistischer Verhältnisse ändern. Aber die Siedlung ist Geburtsstätte einer sozialen Idee und Werthaltung, die nachfolgend das Denken und die politischen Strategien ihrer Mitglieder auch außerhalb der Siedlung prägt. Sie ist im Falle ihres Gelingens Ideenträger des Begriffes »gesund«, den ein Kind im günstigsten Falle aus dem Familienleben mit in die Welt hinausnehmen müßte, aber den die den Verhältnissen schutzlos ausgesetzten Familien ihrerseits kaum noch hervorbringen können. Da aber das unmittelbar Einwirkende den jungen Menschen am stärksten prägt und die unmittelbare Umgebung noch am ehesten gestaltet werden kann -alles andere liegt tendenziell unerreichbar fern -, kann dem Kreislauf Gesellschaft => Mensch => Gesellschaft durch eine bewußte Organisation des unmittelbaren Lebensbereiches etwas entgegengesetzt werden.

Diese Möglichkeit hängt wiederum von verschiedenen Faktoren ab. Einmal sind die objektiven Bedingungen oftmals so, daß eine herrschaftlich-bürokratische Staatsverwaltung mit ihren Beamten von vornherein jede Gestaltungsfreiheit in ihrem Geschäftsbereich monopolisiert hat und die Gründung sozial gefestigter Siedlungsgebiete in diesem Planungsdenken keinen Raum hat. Ferner sind die Besitzverhältnisse des nationalen Grund und Bodens so geordnet, daß nur vermögende Menschen eine Chance haben, in der Nähe bereits bestehender Wohngebiete in größeren Zusammenhängen siedeln zu können. Benötigt würde die Ausweisung neuer Siedlungsgebiete, was die Hoheitsrechte bestehender Gebietsverwaltungen betrifft und aus Gründen der »Zersiedelung unberührter Natur« leicht zurückgewiesen werden kann. Als »Naturschützer« werden in solchen Fällen auch immer die Besitzer stadtnaher Grundstücke auftreten, die mit der Verknappung des Baulandes sichere Monopolprofite realisieren können. So schlagen denn die gesellschaftlichen Verhältnisse durch auf die Möglichkeiten der Siedlung, wodurch es der Organisation einer erheblichen finanziellen und/oder politischen Gegenmacht bedarf, um eine an sich naheliegende Idee konkret umsetzen zu können.

Daß die Idee naheliegt, läßt sich empirisch leicht bestätigen, wenn man Menschen zusammenbringt und Utopien entwickeln läßt. Fast immer ist das, was der Mensch sich in solchen Momenten ausmalt, etwas anderes, als er real lebt. Aber solche Gruppen kommen über die Fantasie meistens nicht hinaus, weil die objektiven Möglichkeiten eines Anfangs fehlen. Die freigelassene Fantasie weckt so eine tiefe Wehmut, die ungestillt bleibt und die Gruppe nach einiger Zeit wieder auseinandersprengt, weil die Spannung zwischen Wunsch und Wirklichkeit unerträglich wird. An diesen verdrängten Grundbedürfnissen können Scharlatane spielend anknüpfen, da unsere Gesellschaftskonstruktion die Sozialität des Menschen sprichwörtlich im Dienste von Kapital und Staat »verheizt«, wogegen der Mensch sich nach Räumen der Ruhe, Geborgenheit und Entfaltungsmöglichkeit sehnt. Statt aber unter dem Deckmantel der Gemeinschaft neue Formen der Fremdsteuerung [S. 327] zuzulassen, bei der »falsche Propheten« an den unreflektierten Instinkten verletzter Menschen anknüpfen und neues Heroenglück versprechen, sollte man lieber eine soziale Bewegung fördern, die an der Utopie einer freien und gerechten Sozialord-nung festhält und gleichzeitig durch echte Pionierleistungen Gestaltungsmöglichkeiten erarbeitet, die eine Vereinigung von »Individuierung und Gemeinsinn« ermöglicht. Was eine Genossenschaft benötigt, sind starke Persönlichkeiten auf jeder Ebene, die die Gemeinschaft mit ihrer entwickelten Persönlichkeit tragen und schützen. Deswegen ist die Grundtendenz der Genossenschaft gegenüber der Herrschaft die der Stärkung ihrer Mitglieder. Das muß man verstehen und in gelebte Formen bringen, dann ist im kleinen schon viel erreicht.

Fußnoten
[600]
Vgl. BERLINER GESCHICHTSWERKSTATT (Hg.): »Das war'ne ganz geschlossene Gesellschaft hier«. Der Lindenhof: Eine Genossenschafts-Siedlung in der Großstadt. Berlin 1987. Ebenso DIE OBSTBAUSIEDLUNG EDEN in den ersten 25 Jahren ihres Bestehen. Hrsg. vom Vorstand. Oranienburg in der Mark 1920. Leider erst nach Abschluß dieser Arbeit entdeckt und zur Ergänzung sehr empfohlen: WOLFGANG R. KRABBE: Gesellschaftsveränderung durch Lebensreform. Strukturmerkmale einer sozialreformerischen Bewegung im Deutschland der Industrialisierungsperiode. Göttingen 1974.
[601]
Querverweis im Zitat: HENRY CHARLES CAREY: Grundlagen der Gesellschaftswissenschaft, Bd. 3, München 1964, S. 563.
[602]
OPPENHEIMER verweist an dieser Stelle auf seine »Siedlungsgenossenschaft«, S. 439. Dort zitiert er aus HUGO, Vorläufer des Sozialismus, I, S. 877, einen Bericht über die Aurora- und Bethel-Gemeinden des Dr. KEIL in Bethel (Missouri, USA): „Man findet dort weder Wahnsinnige noch Blinde, Taube oder Stumme, noch Krüppel irgendwelcher Art. Dies ist ein unzweifelhafter Beweis für die socialistische Behauptung, daß ein von den Sorgen des Daseinskampfes befreites Gesellschaftswesen auch in weiterer Ausdehnung von Verbrechen und Vergehen wie von geistigen und körperlichen Krankheiten frei sein wird, mit denen die unaufgehaltene Entwicklung des Kapitalismus die heutigen Kulturvölker in so verschwenderischer Weise beschenkt.“
[603]
Querverweis im Zitat: FRANZ OPPENHEIMER: Siedlungsgenossenschaft, S. 618.
[604]
FRANZ OPPENHEIMER: System I, Soziologie, S. 960.
[605]
Vgl.: Die Obstbausiedlung Eden in den ersten 25 Jahren ihres Bestehen. Hrsg. vom Vorstand. Oranienburg in der Mark 1920, S. 30 und S. 35.
[606]
Fußnote im Zitat: „Diese Fernwirkung machte sich bei Rahaline sofort sehr kräftig bemerklich, wurde aber abgeschnitten, weil die Genossenschaft ohne jede eigene Schuld durch den infolge von Spielverlusten erfolgten Bankerott VANDELEURs zerstört wurde.“
[607]
Querverweis im Zitat: FRANZ OPPENHEIMER: Siedlungsgenossenschaft, S. 405 ff.
[608]
FRANZ OPPENHEIMER: System I, Soziologie, S. 961. Man findet an dieser Textstelle noch mehrere interessante Dokumente zur Wirkung der Siedlung.
[609]
Siehe Fußnote 450 dieser Arbeit auf Seite 234.
[610]
Vgl. MARIA GUGGENHEIMER und KLAUS OTTOMEYER (Hg.): Zerstörung einer Familie. Eine Fallstudie. Reinbek bei Hamburg 1980.
[611]
FRANZ OPPENHEIMER: System II, Der Staat, S. 764.
[612]
Vgl. zur Einführung PETER HEISIG: Das Genossenschaftsexperiment von Mondragón. In: Gisela Notz u. a., Selbstverwaltung in der Wirtschaft, Köln 1991, S. 303 -320. Die von HEISIG mit besonderer Begründung gewählte Bezeichnung »Experiment« erscheint mir allerdings als eine Fehleinschätzung des mittlerweile über 50 Jahre hinweg bestehenden Projektes, das sich selber nicht als »Experiment« versteht, sondern als ein aus Notwendigkeiten (Arbeitslosigkeit) erwachsener Fakt.
[613]
Zitiert nach HENRY FAUCHERRE: Die Genossenschaft, a.a.O., S. 9.
[614]
FRANZ OPPENHEIMER: System II, Der Staat, S. 765.
[615]
„Ich konnte mir infolgedessen Palästina nie anders vorstellen als unter dem Bilde einer anderen Schweiz: mit der vollen Gleichberechtigung und auf dieser Grundlage der vollen Einigkeit aller im Lande vorhandenen Sprach-und Religionsgruppen. (...) Es war meine klare Pflicht als Soziologe, gegen diesen jüdischen Chauvinismus ebenso scharf aufzutreten wie gegen den nichtjüdischen.“ FRANZ OPPENHEIMER: Lebenserinnerungen, S. 215.
[616]
FRANZ OPPENHEIMER: Der Aufbau einer jüdischen Genossenschaftssiedlung in Palästina. In: derselbe, Lebenserinnerungen, 2. Aufl. von 1964, S. 281 -296, hier S. 281.
[617]
Vgl. THEODOR HERZL, FRANZ OPPENHEIMER: Briefwechsel. In: Bulletin des Leo Baeck Instituts, Bd. 7, 1964, S. 21 -55.
[618]
KONRAD SCHAYER: Franz Oppenheimer und die israelischen Siedlungsgenossenschaften. In: Archiv für öffentliche und freigemeinnützige Unternehmen, Bd. 1, 1954, S. 144 -158, hier S. 144 und 151.
[619]
Zitiert nach KONRAD SCHAYER: Franz Oppenheimer und ..., a.a.O., S. 145.
[620]
Indirekt zitiert nach KONRAD SCHAYER: Franz Oppenheimer und ..., a.a.O., S. 148.
[621]
J. SHATIL: Die Lebensform in einer Kollektivsiedlung. In: Archiv für öffentliche und frei gemeinnützige Unternehmen, Bd. 4, 1958, S. 161 -175, hier S. 161.
[622]
J. SHATIL: Die Lebensform ..., a.a.O., S. 161.
[623]
Vgl. ISAAC GUELFAT: Franz Oppenheimers Genossenschaftslehre. In: FRANZ OPPENHEIMER, Lebenserinnerungen, 2. Aufl. von 1964, S. 364 -370, hier S. 368.
[624]
Vgl. FRANZ OPPENHEIMER, Lebenserinnerungen, S. 167 f.
[625]
Vgl. LUDWIG OPPENHEIMER: Groß-und Kleinbetrieb in der Siedlung. Jena 1934.
[626]
KONRAD SCHAYER: Franz Oppenheimer und ..., a.a.O., S. 152.
[627]
Als einzige Angabe jüngeren Datums liegt mir ein Auszug aus dem Statistical Abstrakt of Israel, Nr. 43/1992 des Israelischen Informationszentrum Jerusalem vor, wonach 3,4 % der Bevölkerung Israels in Moschawims und 2,6 % in Kibbuzim lebt.
[628]
Vgl. WALTER PREUSS: Die Förderung des Genossenschaftswesens in Entwicklungsländern auf Grund der in Israel gemachten Erfahrungen. In: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, Bd. 9, 1959, S. 121 - 130. ULRICH PETER RITTER: Vicos; ein Experiment der Landreform auf genossenschaftlicher Basis in Peru. In: Archiv für öffentliche und freigemeinwirtschaftliche Unternehmen, Bd. 7, 1964/65, S. 264 - 276. OTTO SCHILLER: Die Bedeutung der Genossenschaften für die Bodenreform in Entwicklungsländern. In: Archiv für öffentliche und freigemeinwirtschaftliche Unternehmen, Bd. 8, 1966, S. 168 - 173 (enthält Hinweise auf Bodenreformen weltweit). OTIENO MTULA: Die Rolle der Selbsthilfeorganisation (Genossenschaft) in der Land-Stadt-Migrationsproblematik der Entwicklungsländer am Beispiel Kenias. Marburg 1990. P. J. SAHER: Der Sozialismus in der Sicht der Entwicklungsländer. Ratingen 1968. SAHER gibt Auskunft über die ländlichen Reformbestrebungen NEHRUs in Indien (S. 43 ff).
[629]
„Nach mohammedanischem Gesetz gehört der Boden den Stämmen und darf nicht in Privateigentum umgewandelt werden. Nach französischem Zivilrecht aber besitzen die Stämme keine Rechtspersönlichkeit, so daß sich ihnen der Staat substituiert und aus seiner Machtvollkommenheit das Recht herleitet, den Boden zu veräußern. Die auf diese Weise zum Verkauf gelangten Güter sollen seit Jahrzehnten zu Spottpreisen an Mitglieder des französischen Parlaments und an einflußreiche Persönlichkeiten der französischen Presse vergeben worden sein.“ In: Bodenreform, Bd. 22, Heft 24 vom 20.12.1911. Sekundär zitiert nach FRANZ OPPENHEIMER: Das Kapital, S. 140. Diese Plünderungsmethode durch Nichtanerkennung des Gemeingut-Status und nachfolgende »Privatisierung« durch den erobernden Staat hat eine weltumspannende Tradition, die OPPENHEIMER an dieser Stelle mit weiteren Beispielen belegt hat.
[630]
So etwa in Mexiko, wo jüngst die Aufständischen von Chiapas für Aufsehen sorgten. Mexiko ist im Prinzip ein extrem reiches Land mit fruchtbaren Böden und geringer Bevölkerungsdichte. Seit der Eroberung durch die Europäer ist dieses Land allerdings besitzrechtlich gesperrt, so daß die Indios -der Begriff bedeutet zu deutsch »Ureinwohner« -keine Chance der Existenzgründung haben. Die Wortwurzel »Indigena« bedeutet in der Indio-Sprache »die, die schon da waren« und wird im Spanischen zu »die Unterworfenen«. „La raza originaria del país de que se trata“ = »die Ureinwohner eines Landes, die versklavt wurden«. EDUARDO CÁRDENAS: Diccionario Comprehensivo de la lengua Española. Mexiko 1987, S. 254.
[631]
WALTER PREUSS: Diskussionsbeitrag auf der zweiten internationalen Genossenschaftswissenschaftlichen Tagung in Erlangen vom 20. bis 24. August 1957. Protokoll in: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, Bd. 8, 1958, S. 87 - 88.